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Sascha

 

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Die Tode von Helena

Mein letztes Opfer

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Mein letztes Opfer

Er hatte mich nicht kommen sehen. Der Schnitt war sauber und tief. Zunächst vermutete ich, der Alte fände sich recht schnell mit seinem Schicksal ab. Nach ein paar ungelenken Bewegungen, die dennoch Zeugnis eines grotesken Widerstandes waren, ging er endlich zu Boden. Lange suchte sein Rücken nach Halt, immer wieder musste er seinen alten, ausblutenden Körper durch den Dreck ziehen, ehe dieser an einer Wand Halt fand. Es hätte mir zu denken geben müssen solch einen Widerstand gegen die Waagerechte zu beobachten. Seine Hände umfingen die Wunde als wäre diese etwas schützenwertes.

Wie schnell das doch so teuere Blut bereit ist zu erkalten

Schließlich wanderte sein Blick taumelnd über dem Boden, bis er verharrte als er meine Schuhe erfasste. Mit Mühe gelang es ihm den Kopf zu heben um mir in das Gesicht zu sehen. Doch welch eine Enttäuschung. Sein Blick schenkte mir keinerlei Anzeichen von Angst oder Entsetzen. Mit einer nahezu trotzigen Abgeklärtheit blickte der Alte mir in die Augen. Es schien ihm wohl nicht nötig mir den gebührenden Respekt zukommen zu lassen. Zunächst vermutete ich das er mich für ein unter Schock stehenden Augenzeugen hielt, so dass ich glaubte ihm klarzumachen zu müssen wer ich war.  

            << Ist dir überhaupt bewusst wer ich bin >>? Zur Illustration zeigte ich ihm die Klinge die ihm so schwer zugesetzt hatte.

            << Und>>? Entgegnete der Alte so trotzig wie ich es befürchtet hatte. Kurz davor war ich, gleich weiter - ganz gegen meine Gewohnheit - auf den alten Sack einzustechen, damit dieser begreife. Hätte ich doch nur! Stattdessen versuchte ich es erneut.

            << Bist du senil Altermann, bist du nicht in der Lage deinen Tod zu respektieren>>?

            << Seit wann schuldet man so etwas trivialen wie dem Tod Respekt, noch dazu wenn sich dieser in der Gestalt eines verweichlichten Fettsacks zeigt>>?

            << Immer noch besser als ein verknöcherter alter Glatzkopf>>! Schrie ich unkontrolliert und ohne es zu wollen, war doch eines meiner Motive stets die klare Überlegenheit gegenüber meiner Opfer. Doch Unterwürfigkeit konnte ich von diesem Drecksack nicht erwarten. Als wäre es sein Ziel mir dieses Gefühl der Macht gänzlich zu entziehen lachte das Schwein auch noch aus vollem Bauch, als hätte ich ihm diesen niemals aufgeschlitzt. Zweifel kamen in mir auf ihn überhaupt richtig erwischt zu haben. Schließlich nahm er seine Hand von seiner Wunde und streckte mir deren Handflächen entgegen, als wolle er einen Witz abwehren, als er sah dass ich mich anschickte weiter zu brüllen. Der Anblick der Handfläche beruhigte mich ein wenig, da sie den roten Glanz eines dick lackierten Granatapfels  besaß.

            <<Nenn mir dein Motiv>>, fragte mich der Alte völlig überraschend. Ganz offensichtlich fragte er mich aus wirklichem Interesse. Keine warum ich, warum muss ich sterben Nummer. Wirkliches Interesse an meinem Motiv seitens meiner Opfer war mir neu. <<Du möchtest mich sterben sehen richtig>>? Meine Verunsicherung war wohl unübersichtlich. <<Du hättest mir doch die Kegel durchgeschnitten und wärst weggerannt wenn es nicht so gewesen wäre, oder? Ein sexuelles Motiv können wir doch wohl ausschließen>>?

           << Halt dein Maul>>!

           <<Aber warum bist du denn so unterhalten? Ich sterbe doch, exklusiv für dich>>.      

            << Halts Maul>>!

            <<Soll ich dir schildern wie es ist zu sterben, ist es das was dir Befriedigung schenkt>>? schließlich begann der Alte so ruhig und abgeklärte die Symptome seines dahinscheidendes zu schildern als wäre ich sein beschissener Arzt. <<Mir ist kalt, wofür wohl mein zunehmender Blutverlust verantwortlich sein dürfte. Meine Schmerzen sind zu ertragen, allerdings...>>. Nur ein gezielter Tritt in seine linke Fresse unterbrach seinen Redefluss.

            <<Ich möchte das sich das letzte flimmern deines Bewusstseins nur auf mich richtet und dass die letzten Worte die du von dir gibst Zeugnis meiner Macht sind>>. Wie hatte er es nur fertig gebracht mir mein Motiv abzuringen. Zum ersten Mal ausgesprochenen erschien es sogar mir lächerlich. Der Alte wusste wohl dass er einen Zugang zu meiner Denkstruktur gefunden hatte und dass mir das nicht gefiel, denn allzu triumphalen wischte er sich doch das Blut vom Maul.

            <<Na, das wird bei mir nichts>>, entgegnete der Alte er schließlich vollkommen befriedigt.

            <<Na dann werde ich weiter töten müssen, solange bis mir eines meiner Opfer die Macht verleiht damit aufzuhören. Du hättest Mein letztes Opfer sein können, wenn du nicht so ein selbstgerechtes Arschloch gewesen wärst. Wie ist das denn so mit einer Mitschuld sterben zu müssen>>? Ich hoffte den Alten mit dieser Lüge aus der Reserve locken zu können. Doch dieser beschissene Alte!

            <<Lügner! Du wirst solange töten bis sie dich kriegen>>! Ich hatte schon beschlossen den Alten aufzugeben, ihm sogar schon den Rücken zugewandt als dieser weiter sprach. <<Dennoch versichere ich dir dein letztes Opfer zu sein>>. Als ich mich umdrehte brachte sein faltiges Gesicht zu meiner Enttäuschung immer noch dieses selbstgefällige Grinsen zustande. Was konnte ich tun um es zu vernichten? Er reagierte hingegen umgehend auf meine Zweifel die sich wohl in meinem Gesicht zu erkennen gaben. <<Glaube mir, ehe ich gänzlich verblutet bin, werde ich dich vom weiteren töten abgebracht haben>>. Die Neugierde ist eine verhängnisvolle Schwäche.       

            <<Fiel Zeit hast du nicht mehr>>, ich deutete auf die Blutlache zwischen seinen Beinen die sich dort wie ein kleiner, roter Spiegel ausbreitete.

            <<Ich sagte, ich brauche nicht lang>>, versicherte er erneut. Er nahm die rechte Hand von seiner Wunde, wischte sich Schweiß von seiner belassen Stirn und hinterließ auf dieser einen roten Streifen ehe er begann. <<Sagt dir der Name Robert Capa etwas>>? Richtete er sich wieder an mich nachdem er die Hand versonnen in seiner Manteltasche verschwinden lies. Seine Bewegungen waren dabei so langsam das ich glaubte auf seine Bemühungen verzichten zu müssen.

            <<Nein Alter. Beeil dich>>!

            <<Robert Capa, der ursprünglich Endre Ernó Friedmann hieß, war freiberuflicher Fotograf dessen Weltruhm für immer mit einem Foto verbunden sein wird das er am 5. September 1936 im spanischen Bürgerkrieg aufgenommen hatte>>.

            <<Willst du mich verarschen>>?

            <<Die Aufnahme zeigt einen tödlich getroffenen Regierungssoldaten, der im Augenblick seines Todes sein Gewehr weit von sich gestreckt fallen lässt kurz bevor er auf seinen eigenen Schatten stürzt der sich hinter ihm wie die Gestalt des Todes erstreckt>>.

            <<Hallo>>?

            <<Auf diesen Foto ist vielmehr zu sehen als nur ein sterbender Soldat. Sogar die Schönheit seines Landes für das er gekämpft hatte ist durch einen hügelige Landschaft, die sich im Hintergrund erstreckt, gekonnt in Szene gesetzt>>.

            <<Ich hatte noch nie solch einen starken drang zu töten wie jetzt>>, schrie ich dem Alten entgegen, der versonnen vor sich hin starrte als sehe er statt einer nassen Zementwand eine Spanische Landschaft.

            <<Ein Freund hatte mir dieses beeindruckende Foto 1937 heimlich in einer amerikanischen Zeitschrift gezeigt. Er hatte Capa vor dessen Immigration bei der Berliner Zeitung Weltspiegel kennen gelernt und dessen Karriere unter schwersten Bedingungen bis zu Kriegsbeginn weiterverfolgt. So sollte meine Vorstellung vom Krieg zu jener Zeit nicht von der Propaganda geprägt werden die mich täglich umgab sondern von einem Foto dass ein Jude gemacht hatte>>.

            <<Heil ……>>! An dieser Stelle möchte der Autor darauf hinweisen dass er sich weigert diesen Namen auszuschreiben und dass er für die Aussagen seiner Protagonisten aus künstlerischer Sicht nur bedingt verantwortlich ist. Wie hätte ich dieses Gefasel ohne Sarkasmus ertragen können. Mit einer abwehrenden Geste, für die er seine Blut verschmierte Hand aus seiner Mantel Tasche auftauchen lies, entgegnete er diesen Gruß seiner Tage.

            <<Wenige Jahre später fielen an meiner Seite unzählige meiner Kameraden während des Russlandfeldzugs. Die meisten wurden einfach unspektakulär von der Kälte und der Erschöpfung dahingerafft. Recht schnell drehten sich die lebenden nicht mehr nach den sterbenden um. Der Schnee begrub ihre Körper dürftig. Das was er nicht bedeckte wirkte oft unecht und befremdend. Gesichter die man glaubte wieder zuerkennen waren doch nur lehre Gefäße deren Inhalt der Wind mit sich genommen hatte>>. Der Alte lies mir wohl Gelegenheit für einen weiteren spöttischen Einwurf, doch ich verpasste meinen Einsatz. <<Diejenigen die die Ehre hatten im Kampf als Soldaten zu sterben, stolperten völlig unheroisch dem Tot in die Arme. Oft zerrissen Kugeln oder Granatesplitter die auf Krieg getrimmten Körper meiner Kameraden wie Puppenleiber>>.

            <<Du willst mich wohl aufgeilen was? Doch komm endlich zum Punkt den deine Kameraden warten schon. Was hat das Ganze mit diesem beschissenen Foto zu tun und wie willst nun mich damit aufhalten>>? Einwilligend, als hätte er endlich Eineinsehen, nickte der alte bevor er fort fuhr.

            <<Oft dachte ich, wenn mir die Zeit dazu blieb, wenn ich nicht zu sehr damit beschäftigt war mein armseliges Leben in Sicherheit zu bringen…. >>.

            <<Nein, nein, nicht schon wieder abdriften Alter>>!

            <<Oft dachte ich an dieses Foto>>. Der Alte war hartnäckig. <<Nur dieses Foto vergegenwärtigte mir den Soldaten Tod wie ich ihn mir einst vorgestellt hatte. Der Tod der mich umgab war ein allzu sachlicher Zeitgenosse dessen Schrecken nur in seiner nüchternen Banalität existierte. Nichts deutete in den weiten Russlands daraufhin wofür sie starben, es gab keine heroischen Geschehnisse, keine letzten Worte die zu denken gaben, nichts war von Bedeutung>>.

            <<Heil ……>>! Um den Alten bei Laune zu halten schrie ich und hob die Hand zum Gruße, so wie er selbst es bestimmt einst mit Begeisterung tat. Allerdings … .

            <<Das solltest du nicht tun>>, sagte der Alte mit geschlossenen Augen als könne er meinen Anblick nicht ertragen.

            <<Heil ……>>! Schrie ich erneut und schlug effektvoll die Hacken gegeneinander, was zumindest bewirkte dass der Alte wieder gehorsam die Augen öffnete und weiter redete.

            <<In der Gefangenschaft glaubte ich lange dass das sinnlose wüten dieses abgeschmackten Diebes nur bei uns so deutlich zu erkennen gewesen war, da wir für ein verfluchtes Regime gekämpft hatten. Später als ich endlich wieder daheim war suchte ich seine Spuren auf jedem Bilddokument dass ich finden konnte, doch zu meiner Überraschung transportierten alle Fotos und Filme Botschaftern der jeweiligen Kriegsparteien. Kein Foto war in der Lage mir dieses Gefühl der vollkommenen Apathie zu vermitteln das ich im Krieg an der Seite des Todes empfunden  hatte. Stattdessen transportierten alle Bilder längst verbrauchte Propaganda oder verdeutlichten mir, mir der so knapp entkommen war, den Schrecken des Krieges. Erst Jahre später erfuhr ich weshalb dieses verfluchte Foto für mich solange  idealisiertes Sinnbild des Todes bleiben konnte>>.

            <<Hallo Alter nicht schlapp machen! Jetzt habe ich solange ausgehalten>>.

            <<Es war wohl eine Fälschung >>.

            <<Was>>?

            << Robert Capa soll dieses Foto laut Gerüchten zufolge nachgestellt haben. Das taten Kriegs Fotografen schon Immer, ich weiß weshalb. Ein inszenierter oder in Szene gesetzter Tod ist Immer spektakulärer als der echte, denn er selbst, und somit auch dass töten, ist banal. Das ist auch der Grund weshalb dir dass töten niemals ausreichen Macht verleihen kann. Du wirst unbefriedigt sterben müssen>>.

            << Mit diesen Mist hast unser beider Zeit verschwendet? Wie konntest du nur glauben mich mit so einem bedeutungslosen Gewäsch aufhalten zu können>>? Fragte ich den Alten währenddessen dieser seine blutige Hand abermals in seiner rechten Manteltasche vergrub. Als ich statt einer Antwort nur ein Trotziges Lächeln von ihm, mein erstes Opfer das sterben zu sehen sich nicht lohnte, entgegennehmen musste ob ich die rechte Hand zum Gruße um mich angemessen zu verabschieden. Doch in dem Moment als ich grade die Hacken gegen einander schlagen wollte holte der alte Drecksack einen Revolver aus seiner Manteltasche und feuerte diesen ohne Zögern auf mich ab. Ein glühender Ball dessen Kern aus Schmerz bestand hatte mir die Bauchdecke durchschlagen und nicht zu Boden gerissen. All mein schreien und verfluchen fand kein Gehör denn der Alte war wohl schon tot ehe ich auf dem Boden aufschlug.

Ein letztes höhnisches Lächeln umspielt immer noch seine Lippen. Seine Waffe liegt auf seinem Schoß. Vielleicht schaffe ich es mich bis zu dieser Waffe zu ziehen um mich mit dieser den Kopf zu schießen. Wie lange dauert es bis man an einen Bauchschuss stirbt? Sollte ich wirklich nicht genügend Westernfilme gesehen haben?

Mir ist bewusst dass mich niemand rechtzeitig finden wird, zu sorgfältig habe ich diesen Tatort ausgesucht. Ganze vier Stunden hatte ich gewartet ehe mir ausgerechnet dieser alte Mann in die Falle gehen musste.

Womit beschäftigt sich der Geist ehe er erlischt? Befasst er sich wohl möglich am Ende mit banalen Dingen, so wie kurz vor dem einschlafen?

Was habe ich gestern gegessen? Ach ja, Spaghetti. Welche Farbe hatte das Lieblings Spielzeug meiner Jugend noch gleich? Es war das Auto mit den großen Scheinwerfern und es war orange, ja es war orange. Wo ist es wohl heute, wo befinden sich die Schätze meiner Kindheit? Die Ritterburg und die ….. .


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