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Die
Tode von Helena
Der sterile,
einschüchternde Geruch dieses Krankenhauses kanalisiert alle Gedanken
auf den Schmerz. Wie war es hingegen wunderbaren, letzten Sommer auf
dich im Parkcafé zu warten. Die Luft trug den süßen Atem der der Blumen
zu mir, deren Duft sie im Spiel den Blüten abgerungen hatte. Die stille
Luft hier, versucht einem hingegen schon beim Betreten des Krankenhauses
zu desinfizieren.
Selbst Geräusche, die
sich ihren Weg durch diese Luft bahnen, wirken entkeimt. Stimmen sind
stets gedämpft und von Schritten halt nur dass wehleidige quietschen der
Sohlen von Linoleumboden zurück. Die Stimmen, in den feinen Restaurants,
in denen ich im Laufe unsere Beziehung oft gezwungen war zu warten,
boten eine weitaus angenehmere Geräuschkulisse, wurden diese doch
zumindest des Öfteren von Pianomusik und dem Klangspiel der Gläser
begleitet. Selbst das Lachen des Publikums, das bis zum Theaterfoyer zu
mir drang und in meinen Ohren stets wie Hohngelächter klang, war mir
noch lieber. Das Licht der Neonröhren trocken mir die Augen aus. Es ist
durch seine kalte Funktionalität im Einklang mit diesem Geruch. Wie
widerspruchsvoll doch das ganz hier ist, wenn man bedenkt, dass dieser
Ort hier der Bewahrung und Bergung des Lebens dienen soll.
Da kommt sie wieder,
die geschäftige Schwester. Sie ist bereits vollkommen ein Geschöpf
dieses Lichts und dieses Geruchs geworden. Immer noch weicht ihr blasses
Gesicht meinen fragenden Blicken aus.
<<Schwester, Schwester>>? Widerwillig hebt sie ihren monotonen Blick von
ihren quietschen Turnschuhen empor. Ein Kopfschütteln ist alles, was ihr
als Antwort abzuringen ist. <<Immer noch nichts Neues, nein>>?
Das Warten selbst wäre
zu ertragen, hätte ich nur die Gewissheit, dass es dir gut geht. Doch du
hast mich immer schon meiner sadistischen Fantasie überlassen. Kein
erlösender Anruf befreite mich aus ihren Fängen. Hattest du doch eine
panische Angst vor den, von Handys ausgehenden, Elektrosmog. Doch deine
Panik vor Tumoren bereitete mir Magengeschwüre Helena, weiß ich doch
inzwischen, wie schädlich Angst für den der Organismus ist. Niemals
werde ich dir sagen können, wie oft dich meine verfluchte Fantasie hat
sterben lassen. Oft sah ich wie dein zierlicher Körper von den
verschiedensten Vehikeln, wie eine Puppe erfasst und überrollt wurde.
Mehrmals hörte ich machtlos zu, wie du meinen Namen verzweifelt
schreist, ehe man dich bewusstlos schlägt, um sich ungestört an dir
vergehen zu können und ich schmeckte dein Blut bei unserem letzten Kuss
im Leichenschauhaus. Dennoch dein Timing stets bemerkenswert. Erscheinst
immer kurz bevor ich, deinen Namen laut aufschreiend, die Nummer der
Polizei auf mein Handy wählen möchte, oder mich gar an den Kragen eines
Obers klammer, um diesen anzuflehen, mir möglichst schnell die Rechnung
zu bringen und ein Taxi zu rufen. Das entwaffnende Lächeln, wofür ich
dich liebe, hasse ich in diesen Momenten. Um dir diese Schmerzen zu
verdeutlichen den ich erduldeten musste, müsste ich dir dieses Lächeln
aus dem Gesicht schneiden. Natürlich könnte ich dies nie. Genauso wenig
wie über deine Entschuldigung zulachen, die nur meiner Ängste spotten.
Die Ohnmacht des Wartens setzt sich bei jeglichen Bemühungen dir die
Intensität meiner Ängste um dich klarzumachen fort. Erstickst du doch
jeden Versuch eines Vorwurfs mit einem Kuss und ringst meine Wut mit
einer Umarmung nieder. Doch wirst du heute in der Lage sein, nicht zu
umarmen oder zu küssen? Warum Helena? Warum wolltest, du mich nicht bei
dir haben? Warum durfte ich dir nicht beistehen? Bezweifle und hoffe ich
doch dass die Bilder der Realität - vor denen du mich nach eigener
Aussage bewahren wolltest - so grausam sein können wie die in meinem
Kopf. Der Strom des Blutes der zwischen deinen Beinen entspringt hat
mich längst mit sich gerissen und droht mich nun in seinen Fluten zu
ertränken.
Die Schwester! Die
schnelle Folge ihrer Schritte lässt mich ahnen, dass sie aus der
Monotonie ihres Daseins erwacht ist und von einem Ereignis angetrieben
wird. Sie wird diesmal nicht an mir vorbeikommen. <<Schwester>>!
<<Ist eine
Frau wohl auf>>?
<<
Verflucht warum müssen die Verrückten immer in meiner Spätschicht
auftauchen>>!
<<Aber meine Frau….>>!
<<Hören Sie zu! Ich sage es Ihnen nun zum letzten Mal, hier gibt es
niemanden auf den Sie waten müssen! So weit man mir sagte haben Sie ja
nicht einmal eine Frau, gehen sie wieder in Ihre Einrichtung>>.
<< Sein Sie
still>>!
<<Lassen
Sie mich los. Hilfe>>!
<<Sein
still>>!
<<Hilfe,
Hilfe …>>!
<<Sei
still>>!
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